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Die Bibliothek von Babel
próza [ ]

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by [Jorge_Luis_Borges ]

2004-02-28  | [Ezt a szöveget a következ. nyelven kell olvasni deutsch]    |  Könyvtárba beírt Nume



Das Universum (das andere die Bibliothek nennen) setzt sich aus einer unbegrenzten und vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen, mit weiten Entlüftungsschächten in der Mitte, die mit sehr niedrigen Geländern eingefaßt sind. Von jedem Sechseck aus kann man die unteren und oberen Stockwerke sehen: ohne ein Ende. Die Anordnung der Galerien ist unwandelbar dieselbe. Zwanzig Bücherregale, fünf breite Regale auf jeder Seite, verdecken alle Seiten außer zweien: ihre Höhe, die sich mit der Höhe des Stockwerks deckt, übertrifft nur wenig die Größe eines normalen Bibliothekars. Eine der freien Wände öffnet sich auf einen schmalen Gang, der in eine andere Galerie, genau wie die erste, genau wie alle, einmündet. Links und rechts am Gang befinden sich zwei Einzigkleine Kabinette. In dem einen kann man im Stehen schlafen, in dem anderen seine Notdurft verrichten. Hier führt die spiralförmige Treppe vorbei, die sich abgrundtief senkt und sich weit empor erhebt. In dem Gang ist ein Spiegel, der den Schein getreulich verdoppelt. Die Menschen schließen gewöhnlich aus diesem Spiegel, daß die Bibliothek nicht unendlich ist (wäre sie es in der Tat, wozu diese scheinhafte Verdoppelung?); ich gebe mich lieber dem träumerischen Gedanken hin, daß die geschliffenen Oberflächen das Unendliche darstellen und verheißen... Licht spenden ein paar kugelförmige Früchte, die den Namen "Lampen" tragen. Es gibt deren zwei in jedem Sechseck, seitlich angebracht. Das Licht, das sie aussenden, ist unzureichend, unaufhörlich. Wie alle Menschen der Bibliothek bin ich in meiner Jugend gereist; ich habe die Fahrt nach einem Buch angetreten, vielleicht dem Katalog der Kataloge; jetzt, da meine Augen kaum mehr entziffern können, was ich schreibe, bin ich im Begriff, nur ein paar Meilen von dem Sechseck, wo ich geboren ward, zu sterben. Wenn ich tot bin, wird es nicht an mitleidigen Händen fehlen, die mich über das Geländer werfen werden, mein Grab wird die unauslotbare Luft sein; mein Leib wird immer tiefer sinken und sich in dem von dem unendlichen Sturz verursachten Fallwind zersetzen und auflösen. Ich behaupte daß die Bibliothek kein Ende hat.
Die Idealisten argumentieren, daß die sechseckigen Säle eine notwendige Form des absoluten Raums seien, oder zumindest unserer Anschauung des Raums. Sie geben zu bedenken, daß ein dreieckiger oder fünfeckiger Saal unfaßbar sei. (Die Mystiker behaupten, daß die Ekstase ihnen ein kreisförmiges Gemach offenbare, mit einem großen kreisförmigen Buch, dessen Rücken rund um die Wand läuft; doch ist ihr Zeugnis verdächtig; ihre Worte sind dunkel. Dieses zyklische Buch ist Gott.) Für jetzt mag es genügen, wenn ich den klassischen Spruch zitiere: Die Bibliothek ist eine Sphäre, deren eigentlicher Mittelpunkt jedes beliebige Sechseck, und deren Umfang unzugänglich ist. Auf jede Wand jeden Sechsecks kommen fünf Regale jedes Regal faßt zweiunddreißig Bücher gleichen Formats, jedes Buch besteht aus vierhundertzehn Seiten, jede Seite aus vierzig Zeilen, jede Zeile aus etwa achtzig Buchstaben von schwarzer Farbe. Buchstaben finden sich auch auf dem Rücken jeden Buches; doch bezeichnen diese Buchstaben nicht, deuten auch nicht im voraus an, was die Seiten sagen werden. Ich weiß, daß dieser fehlende Zusammenhang zuweilen mysteriös angemutet hat. Bevor ich die Lösung (deren Entdeckung trotz ihrer tragischen Auswirkungen wohl die wichtigste Tatsache der Geschichte ist) in gedrängter Form wiedergebe, will ich ein paar Axiome ins Gedächtnis zurückrufen. Erstes Axiom: Die Bibliothek existiert ab eterno. An dieser Wahrheit, aus der unmittelbar die künftige Ewigkeit der Welt folgt, kann kein denkender Verstand zweifeln. Der Mensch, der unvollkommene Bibliothekar, mag ein Werk des Zufalls oder böswilliger Demiurgen sein; das Universum, so elegant ausgestattet mit Regalen, mit rätselhaften Bänden, mit unerschöpflichen Treppen für den wandemden und mit Latrinen für den seßhaften Bibliothekar, kann nur Werk eines Gottes sein. Um die Kluft, die zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen liegt, so recht zu ermessen, braucht man nur die zittrigen Zeichen, die meine hinfällige Hand auf den Einband eines Buches krakelt, mit den organischen Lettern im Inneren zu vergleichen: gestochen, feingeschwungen, tiefschwarz, unnachahmlich symmetrisch.
Zweites Axiom: Die Anzahl der orthographischen Symbole istfünfundzwanzig.* Diese Feststellung ermöglichte es vor dreihundert Jahren, eine allgemeine Theorie der Bibliothek zu formulieren und das Problem, das keine Vermutung entschlüsselt hatte, befriedigend zu lösen: die formlose und chaotische Beschaffenheit fast aller Bücher. Eines, das mein Vater in einem Sechseck des Umgangs fünfzehnhundertvierundneunzig erblickte, bestand aus den Buchstaben MCV, in perverser Wiederholung von der ersten bis zur letzten Zeile. Ein anderes (das in dieser Zone oft konsultiert wird) ist ein reines Buchstabenlabyrinth, aber auf der vorletzten Seite steht: O Zeit deine Pyramiden. Man ersieht hieraus: auf eine einzige verständliche Bemerkung entfallen Meilen sinnloser Kakophonien, sprachlichen Plunders, zusammenhangloses Zeugs. (Ich weiß von einer wilden Region, in der die Bibliothekare die abergläubische und eitle Jagd nach dem Sinn in Büchern verschmähen und die Lektüre mit Traumdeuterei und Handlesekunst vergleichen... Sie geben zwar zu, daß die Erfinder der Schrift die fünfundzwanzig Natursymbole nachgeahmt haben; sie behaupten jedoch, daß diese Anwendung zufällig sei und die Bücher an sich nichts bedeuteten. Diese Anschauung geht, wie man sehen wird, nicht völlig fehl.) Lange Zeit hindurch glaubte man, daß diese undurchdringlichen Bücher in vergangenen oder fernobliegenden Sprachen ihre Entsprechung hätten. Allerdings haben die frühesten Menschen, die ersten Bibliothekare, eine von der heute gesprochenen recht verschiedene Sprache benutzt; richtig ist auch, daß ein paar Meilen weiter nach rechts die Sprache mundartlich und daß sie neunzig Stockwerke höher unverständlich ist. All das, ich wiederhole, ist richtig, aber vierhundertundzehn Seiten, auf denen unwandelbar MCV wiederkehrt, können mit keiner auch noch so mundartlichen oder unentwickelten Sprache in Zusammenhang stehen. Einige wollten wissen, daß jeder Buchstabe auf den nächstfolgenden Einfluß nehme und daß der Stellenwert von MCV in der dritten Zeile auf Seite 7I nicht der ist, den dieselbe Buchstabenreihe in anderer Stellung auf einer anderen Seite haben kann, aber diese vage These fruchtete nicht. Andere dachten an Kryptogramme; diese Deutung hat sich allgemein durchgesetzt, wenn auch nicht in der Bedeutung, wie ihre Er finder sie verstanden.
Vor fünfhundert Jahren stieß der Chef eines höheren Sechseck** auf ein Buch, das so verworren war wie die anderen, das jedoch fast zwei Bogen gleichartiger Zeilen aufwies. Er zeigte seinen Fund einem wandemden Entzifferer, der ihm sagte, sie seien in Portugiesisch abgefaßt; andere sagten dagegen, in Jiddisch. Vor Ablauf eines Jahrhunderts konnte die Sprachform bestimmt werden: es handelte sich um eine samojedisch-litauische Dialektform des Guarani mit einem Einschlag von klassischem Arabisch. Auch der Inhalt wurde entschlüsselt: es waren Begriffe der kombinatorischen Analysis, dargestellt an Beispielen sich unbegrenzt wiederholender Variationen. Diese Beispiele versetzten einen genialen Bibliothekar in die Lage, das Fundamentalgesetz der Bibliothek zu ent decken. Dieser Denker stellte fest, daß sämtliche Bücher, wie verschieden sie auch sein mögen, aus den gleichen Elementen bestehen: dem Raum, dem Punkt, dem Komma, den zweiundzwanzig Lettern des Alphabets. Auch führte er einen Umstand an, den alle Reisenden bestätigt haben: In der ungeheuer weiträumigen Bibliothek gibt es nicht zwei identische Bücher. Aus diesen unwiderleglichen Prämissen folgerte er, daß die Bibliothek total ist, und daß ihre Regale alle irgend möglichen Kombinationen der zwanzig und soviel orthographischen Zeichen (deren Zahl, wenn auch außerordentlich groß, nicht unendlich ist) verzeichnen, mithin alles, was sich irgend ausdrücken läßt: in sämtlichen Sprachen. Alles: die bis ins einzelne gehende Geschichte der Zukunft, die Autobiographien der Erzengel, den getreuen Katalog der Bibliothek, Tausende und Abertausende falscher Kataloge, den Nachweis ihrer Falschheit, den Nachweis der Falschheit des echten Katalogs, das gnostische Evangelium des Basilides, den Kommentar zu diesem Evangelium, den Kommentar zum Kommentar dieses Evangeliums, die wahrheitsgetreue Darstellung deines Todes, die Übertragung jeden Buches in sämtliche Sprachen, die Interpolationen jeden Buches in allen Büchern, der Traktat den Beda hätte schreiben können (und nicht schrieb), über die Mythologie der Sachsen, die verlorenen Bücher des Tacitus.
Als verkündet wurde, daß die Bibliothek alle Bücher umfasse, war der erste Eindruck ein überwältigendes Glücksgefühl. Alle Menschen wußten sich Herren über einen unversehrten und geheimen Schatz. Es gab kein persönliches, kein Weltproblem, dessen beredte Lösung nicht existierte: in irgendeinem Sechseck. Das Universum war gerechtfertigt, das Universum bemächtigte sich mit einem Schlag der schrankenlosen Dimensionen der Hoffnung. In dieser Zeit war viel die Rede von "Rechtfertigungen": apologetische und prophetische Bücher rechtfertigten für immer die Taten jedes Menschen auf Erden, hüteten wundersame Arcana für seine Zukunft. Tausende von Begehrlichen verließen ihr trautes Heimatsechseck und jagten die Treppen empor, von dem eitlen Vorsatz getrieben, ihre Rechtfertigung zu finden. Diese Pilger disputierten in den engen Gängen, stießen dunkle Verwünschungen aus, erwürgten einander auf den göttlichen Stiegen, schleuderten die gleisnerischen Bücher auf den Grund des Tunnels, starben hinabgestürzt von den Menschen weit entlegener Regionen. Andere wurden wahnsinnig... Die Rechtfertigungen existieren (ich habe zwei gesehen, die sich auf künftige Personen, auf womöglich nicht bloß imaginäre Personen beziehen), aber die Sucher bedachten nicht, daß die Möglichkeit, daß ein Mensch die seine oder eine tückische Variante der seinen findet gleich Null ist. Auch erhoffte man sich damals Aufschluß über die Grundgeheimnisse der Menschheit: den Ursprung der Bibliothek und der Zeit. Wahrscheinlich lassen sich diese gewichtigen Mysterien in Worten erläutern; wenn die Sprache der Philosophen nicht ausreicht, dürfte die Bibliothek die unerhörte Sprache, die dazu erforderlich ist, hervorgebracht haben, sowie die Wörterbücher und Grammatiken dieser Sprache. Schon vier Jahrhunderte lang durchstöbern die Menschen vergeblich die Sechsecke... Es gibt amtliche Sucher, Inquisitoren. Ich habe sie in Ausübung ihres Amtes gesehen: sie sind immer erschöpft; sie sprechen von einer Treppe ohne Stufen, die sie um ein Haar getötet hätte; sie sprechen mit dem Bibliothekar von Galerien und Treppen; manchmal greifen sie nach dem nächststehenden Buch und blättern darin, auf der Suche nach ruchlosen Wörtern. Offensichtlich glaubt niemand, irgend etwas entdecken zu können. Auf die überschwengliche Hoffnung folgte ganz natürlich übermäßige Verzagtheit. Die Gewißheit, daß irgendein Regal in irgendeinem Sechseck kostbare Bücher barg, daß aber diese Bücher unzugänglich waren, erschien nahezu unerträglich. Eine Lästerersekte schlug vor, man solle die Suche einstellen, alle Menschen sollten Buchstaben und Zeichen so lange durcheinander würfeln, bis sie auf Grund eines unwahrscheinlichen Zufalls diese kanonischen Bücher zusammenbrächten. Die Behörden sahen sich gezwungen, strenge Anordnungen zu erlassen. Die Sekte verschwand, aber in meiner Kindheit sah ich alte Männer, die lange auf dem Abtritt verweilten, mit ein paar Metallscheiben in einem verbotenen Würfelbecher, kraftlos bemüht, die göttliche Unordnung nachzuahmen.
Andere waren umgekehrt der Meinung, zuallererst müßten die überflüssigen Bücher ausgemerzt werden. Sie brachen in die Sechsecke ein, zeigten nicht immer falsche Beglaubigungsschreiben vor, blätterten verdrossen in einem Band und verdammten ganze Regale. Ihr hygienischer Asketeneifer trägt die Schuld daran, daß Millionen Bücher sinnlos vernichtet wurden. Heute sind ihre Namen ein Greuel; wer aber die Thesauri beklagt, die ihrer Wut zum Opfer fielen, übersieht zwei allbekannte Tatsachen. Die eine: die Bibliothek ist so gewaltig an Umfang, daß jede Schmälerung durch Menschenhand verschwindend gering ist. Die andere: jedes Exemplar ist zwar ein zig, unersetzlich, aber da die Bibliothek total ist, gibt es immer einige Hunderttausende unvollkommener Faksimiles: Werke, die nur in einem Buchstaben oder Komma voneinander abweichen. Entgegen der allgemeinen Anschauung wage ich die Vermutung, daß die Folgen der von diesen Säuberern verübten Plünderungen wegen der Entsetzens über diese Fanatiker zu hoch eingeschätzt worden sind. Sie waren von dem Wahn getrieben, die Bücher des Scharlachroten Sechsecks zu erobern: Büchel kleineren Formats als die natürlichen, allmächtig, erlaucht und magisch. Auch wissen wir von einem anderen Aberglauben jene Zeit: dem an den Mann des Buches. In irgendeinem Rega irgendeines Sechsecks (so dachten die Menschen) muß es ein Buch geben, das Inbegriff und Auszug aller ist: eir Bibliothekar hat es geprüft und ist Gott gleich. In de' Sprache dieser Zone haben sich noch Spuren des jenem zeitentfernten Beamten geweihten Kults erhalten. Viele begaben sich auf Pilgerschaft nach Ihm. Ein Jahrhundert lang schlugen sie umsonst die verschiedensten Richtungen ein. Wie sollte man auch das verehrte Geheim-Sechseck orten, das ihn beherbergte? Jemand schlug eine regressive Methode vor: um das Buch A zu lokalisieren, muß man zuvor ein Buch B heranziehen, das den Ort von A angibt; um das Buch B zu lokalisieren, muß man zuvor ein Buch C konsultieren, und so ins Unendliche... Mit dergleichen Abenteuern habe ich meine Jahre verschleudert und verzehrt. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daß es in irgendeinem Regal des Universums ein totales Buch gibt***, ich flehe zu den unerkannten Göttern, es möge einen Menschen geben - einen einzigen, und habe er vor tausend Jahren gelebt -, der es untersucht und gelesen hat. Wenn Ehre, Weisheit und Glück nicht für mich sind, mögen sie es für andere sein. Möge der Himmel existieren, auch wenn mein Ort die Hölle ist. Mag ich beschimpft und zunichte werden, aber möge in einem Augenblick, in einem Sein Deine ungeheure Bibliothek ihre Rechtfertigung finden.
Die Ruchlosen behaupten, daß in der Bibliothek die Sinnlosigkeit normal ist, und daß das Vernunftgemäße (ja selbst das schlecht und recht Zusammenhängende) eine fast wundersame Ausnahme bildet. Sie sprechen (ich weiß es) von der Fiebernden Bibliothek, deren Zufallsbände ständig in Gefahr schweben, sich in andere zu verwandeln, und die alles behaupten, leugnen und durcheinanderwer fen wie eine delirierende Gottheit". Diese Worte, die nicht nur die Unordnung denunzieren, sondern sie mit einem Beispiel belegen, liefern einen offenkundigen Beweis des verwerflichen Geschmacks der Urheber und ihrer verzweifelten Unwissenheit. In der Tat birgt die Bibliothek alle Wortstrukturen, alle im Rahmen der fünfundzwanzig orthographischen Symbole möglichen Variationen, aber nicht einen absoluten Unsinn. Es erübrigt sich zu bemerken, daß der beste Band der vielen Sechsecke, die ich verwalte, >Gekämmter Donner< betitelt ist, und ein anderer >Gipskrampf< und wieder ein anderer >Axaxaxas Mlö

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